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Lidl erkennt guten Wein - woran eigentlich?

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Welcher Weinfreund kennt sie nicht, die breit gestreute Imagekampagne der Discounterkette Lidl zum Thema: Woran erkenne ich eigentlich guten Wein, gutes Brot, gutes Fleisch etc?

Woran erkennt Lidl eigentlich guten Wein?

Als ich den 30sekündigen Lidl-Werbespot zum ersten Mal im TV sah, musste ich innerlich schmunzeln. Warum? Ganz einfach: Dank des geschickt gemachten TV-Spots werden sich alle Supermarktweinkäufer in ihrer Meinung gestärkt sehen, dass es nicht nötig ist, in ein Fachgeschäft zu gehen, um guten Wein zu bekommen.

Allerdings sollte man sich vor einer allzu schnellen Meinungsbildung hüten und den Aussagen im TV-Spot unüberlegt Glauben schenkt. Wer den Spot genauer anschaut, wird erkennen, dass die vorgebrachten Argumente gewaltig hinken - oder in der Weinsprache gesagt - gewaltig korken.

Lidl-Argument 1: Guten Wein erkennt man nicht am französischen Akzent des Verkäufers.
Dieser Aussage stimme ich zu. Aussprache, Akzent oder Dialekt eines Verkäufers sind in der Tat kein Indiz für gute Weine. Allerdings finden sich in Fachgeschäften (sowie in manchen Supermärkten) wenigstens gut geschulte Verkäufer. Bei Lidl wird der Kunde weitestgehend allein gelassen und muss selbst sehen, wie er an weiterführende Informationen zu den angebotenen Weinen kommt.


Lidl-Argument 2: Guten Wein erkennen man nicht daran, dass er auf alten Weinfässern präsentiert wird.
Jedem mit gesundem und wachem Verstand ist klar, dass die Präsentation der Weine keinen Einfluss auf die bereits abgefüllten Weinflaschen hat. Da stellt sich mir automatisch die Frage, warum Lidl in den letzten Monaten die Präsentation des Weinsortiments sukzessive umgebaut hat? Wenn Lidl der eigenen Argumentation folgt, hätte es weiterhin ausgereicht, die Weine in Reih und Glied auf eisernen Regalen zu platzieren - wofür der Aufwand mit nostalgisch gestalteten Weinkisten, die im 45 Grad-Winkel zum Kunden geneigt sind?

Ist Dir eigentlich auch schon aufgefallen, dass die Sortimentsweine (bis 4,00 Euro) - die übrigens den Löwenanteil der verkauften Weine bei Lidl ausmachen - weiterhin eher lieblos präsentiert werden?

Lidl-Argument 3: Guten Wein erkennt man am guten Wein.
Diese Aussage muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Mir kommen da gleich Assoziationen wie: einen gute Apfelschale erkennt man an einer guten Apfelschale - oder eine gute leere Worthülse erkenne ich an einer guten leeren Worthülse.

Lidl-Argument 4: Guten Wein erkennt man an seiner Herkunft und gewissenhafte Auswahl der Rebsorten.
In diesem Punkt stimme ich Lidl ausnahmsweise zu. Wenn ich mir jedoch das Standardweinprogramm (Weine bis 4,00 Euro) von Lidl so anschaue, zweifle ich hingegen an der gewissenhaften Auswahl des Weinangebots ...

Lidl-Argument 5: Guten Wein erkennt man an seiner Farbe, seinem Geruch und seiner aromatischen Fülle.
Ja, gute Weine haben eine schöne Farbe, einen guten Geruch und bestechen durch aromatische Fülle. So weit, so gut. Allerdings lassen sich Farbe, Geruch und auch der Geschmack des Weins dank modernster Kellereitechnik (um nicht von moderner Chemie zu sprechen) geschickt manipulieren. Nicht jeder Wein, der schick aussieht und im ersten Moment gut riecht, ist zwingend ein guter Wein! Gerade bei sehr günstigen Weinen aus Großkellereien sollte stets eine gesunde Skepsis vorherrschen, ob gut wirklich gut ist ...

Lidl-Argument 6: Guten Wein erkennt man an einem guten Geschmack und einem guten Preis.
Zwei Killerphrasen in einem Satz. Wie erkenne ich guten Geschmack, bei einer verschlossenen Flasche Wein? Und seit wann ist der Preis ein verlässlicher Indikator für guten Geschmack respektive Qualität? Wer sich diese Frage selbst beantwortet, weiß, warum ich von Killerphrasen spreche.

Häufig folgt diesem TV-Spot noch ein weiterer kurzer Spot, indem als Indiz für einen guten Wein auf einen besonderen Probierpreis in Höhe von € 3,99 (Chianti Riserva 2011) verwiesen wird. Ein zusätzliches Merkmal sei zudem, dass dieser Wein von Herrn Richard Bampfield mit 86 Punkten bewertet wurde. Was meine Verkostungsgruppe und ich von diesem "guten" Wein halten - kannst Du hier lesen.


Lidl - Imagekampagne 2015

Apropos Richard Bampfield - auf der Lidl-Webseite wird als weiteres Argument für guten Wein die Zusammenarbeit mit diesem WeinKritiker angeführt. "Der Engländer Richard Bampfield ist seit über 30 Jahren im Weingeschäft tätig und hat sich in dieser Zeit einen Namen in der Branche gemacht. Als „Master of Wine“ ist er einer von weltweit nur rund 300 Experten, der in seiner Funktion als unabhängiger Bewerter und Verkoster respektiert und hoch geschätzt wird. Richard Bampfield arbeitet mit uns zusammen, um speziell ausgewählte Weine unseres Sortiments nach einem bewährten 100-Punkte-System zu bewerten."

Zumindest führt Lidl selbst an, dass der englische Weinkritiker nur speziell von Lidl ausgewählte Wein nach einem bewährten 100-Punkte-System bewertet. Schelm, wer bei dieser speziellen Zuführung der zu verkostenden und zu bewertenden Weine böses denkt, oder? Im Umkehrschluss könnte ich nun behaupten, dass Herr Bampfield nur die Weine bewerten darf, von denen Lidl ausgeht, dass sie nicht mit mangelhaft bewertet werden. Spätestens seit dem Bekanntwerden des ADAC-Bewertungsskandals, sollten bei aufmerksamen Weinfreunden die Alarmglocken klingeln.

Weingenuss ist und bleibt sujektiv. Was Herrn Bampfield, mir oder anderen Weinexperten schmeckt, muss Dir noch lange nicht schmecken.




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